Nachhaltige Innovation
Jährlich tätigen Schweizer KMU grosse Investitionen in Innovationsprojekte, mit der Hoffnung, erfolgreiche Geschäftsmodelle für die Zukunft zu entwickeln und umzusetzen. Dabei bleibt häufig ein entscheidender Erfolgsfaktor aussen vor: Die Nachhaltigkeit. Weshalb und wie Sie diesen Faktor systematisch in Ihre Innovations- und Geschäftsentwicklungsprozesse integrieren sollten, um langfristig zukunftsfähig zu bleiben, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Planetare Grenzen machen nachhaltige Innovation alternativlos
5 von 9 planetaren Grenzen, innerhalb derer wir als Menschheit noch einen “sicheren Handlungsspielraum” haben, wurden bereits überschritten. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen beispielsweise, dass wir in den Bereichen “Klimawandel” und “neue Stoffe” noch viel drastischere Massnahmen ergreifen müssen als bisher angenommen. Die Kategorie “neue Stoffe” beschreibt die vielfältigen Möglichkeiten, wie menschliches Handeln in die Prozesse des Erd-Ökosystems eingreifen kann. Welche genau diese „neuen Stoffe“ (im Englischen “novel entities”) sind und wie sie sich auswirken, bleibt abzuwarten. Hierunter zählen vor allem die Langzeitauswirkungen von radioaktivem Abfall und der Einfluss von Mikroplastik.
Bereits mit der heutigen Erderwärmung von 1.1° Celsius (anstelle der im Übereinkommen von Paris festgelegten 1.5° Celsius) haben wir wichtige Kipppunkte überschritten und somit unserem Lebensraum irreparable Schäden zugefügt. Die Folgen davon bekommen wir bereits heute mit extremen Wetterereignissen, wie Stürmen, Trockenheit und Überschwemmungen, zu spüren.
Aus der wissenschaftlichen Forschung ergibt sich also eine Gewissheit: Wir müssen uns innerhalb der planetaren Grenzen bewegen. Denn nur dann ist ein Leben und eine funktionierende Wirtschaft auf unserem Planeten möglich. Wer also heute ein neues erfolgreiches Geschäftsmodell lancieren oder seine Geschäftsentwicklung zukunftsfähig aufstellen möchte, kommt nicht umhin, Nachhaltigkeit ins Zentrum zu rücken.
Nachhaltige Innovation als Grundlage für langfristigen Geschäftserfolg
Die Erkenntnis, dass nur über die Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Zielen auch wirtschaftlich nachhaltige Erfolge realisiert werden können, ist inzwischen unbestritten und löst die bis anhin weit verbreitete Meinung ab, Massnahmen für erneuerbare Energien oder transparente Lieferketten verursachten vor allem Kosten und führten gegenüber Anbieter:innen in Märkten mit weniger strengen gesetzlichen Rahmenbedingungen oder weniger sensibilisierten und ermächtigten Konsument:innen zu einem Wettbewerbsnachteil. Es zeigt sich, dass nachhaltige Geschäftsmodelle konventionelle rasant ablösen und nachhaltige Produkte schneller Marktanteile gewinnen als ihre konventionellen Pendants. Zudem können Unternehmen, die ihr Kerngeschäft auf Nachhaltigkeit ausrichten, erfolgreicher neue Mitarbeiter:innen gewinnen und bestehende länger halten. Auch auf die Beziehungen mit Lieferant:innen und Kund:innen wirkt sich ein klares Commitment zu Nachhaltigkeit positiv aus. Weiter lässt sich festhalten, dass eine klare Orientierung an Nachhaltigkeitszielen Unternehmen dabei unterstützen, ressourcenschonend zu wirtschaften und damit Material- und Energiekosten zu reduzieren. Nicht zuletzt lässt sich ein verbessertes Risikomanagement beobachten. Wer nachhaltig denkt, denkt langfristig und ist langfristig erfolgreich.
Woran können Sie sich für nachhaltige Innovation orientieren?
Seit 2015 gibt es mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) einen verbindlichen globalen Rahmen, der festhält, zu welchen Nachhaltigkeitszielen sich die 193 Unterzeichnerstaaten (darunter auch die Schweiz) verpflichtet haben. Am bekanntesten ist wohl das 1.5° Erderhitzungsziel aus dem Übereinkommen aus Paris. Eine Orientierung an den SDGs hilft dabei, von einer einheitlichen Definition von Nachhaltigkeit auszugehen und sich an einem globalen Referenzrahmen auszurichten. Mit dem SDG Action Manager haben B Lab und der UN Global Compact ein kostenloses Tool geschaffen, um die SDGs in klare Ziele, KPIs und konkrete Massnahmen für Unternehmen zu übersetzen. Wichtig ist dabei, dass die Definition von “Nachhaltigkeit” neben wirtschaftlichen auch soziale und ökologische Ziele umfasst.
Wie können Sie Nachhaltigkeit in Ihren Innovationsprozessen verankern?
1. Projektziele und KPIs festlegen
Nach einer eingehenden strategischen Analyse, sei es mit dem PESTEL-Modell oder auch über eine Analyse der wichtigsten sozialen und ökologischen Auswirkungen entlang der Wertschöpfungskette, können die grössten Hebel für eine nachhaltige Transformation identifiziert werden. Im Rahmen einer ersten Projektdefinition ist es essentiell, diese Erkenntnisse in die Zieldefinition und die Wahl geeigneter KPIs einzubeziehen. Dabei können neben rein finanziellen Werten auch soziale und ökologische Werte festgelegt werden, die das neue Projekt schaffen soll. Einen einfachen Einstieg bietet der Self-Check, den B Lab Schweiz für das Swiss Triple Impact Programm entwickelt hat. Inspiration für messbare Ziele und KPIs finden sich im SDG Action Manager.
→ Klare, messbare und wirkungsorientierte Projektziele definieren, die Nachhaltigkeitssaspekte umfassen.
2. Analyse von ökologischen und sozialen Auswirkungen
Mittels einer Life Cycle Analysis lassen sich die ökologischen Auswirkungen eines neuen oder bestehenden Produktes bewerten und in die Entwicklung einbeziehen. Oft ist es unmöglich, aus dem Bauch heraus zu entscheiden, welches Geschäftsmodell oder welches Material schlussendlich aus Nachhaltigkeitsperspektive die bessere Lösung ist. Ebenfalls empfehlenswert ist eine Analyse sozialer Aspekte, wie mögliche Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette, die Gleichstellung der Geschlechter und Arbeitsbedingungen im Unternehmen. B Lab bieten zu diesen Themen regelmässig Webinars an.
→ Datengrundlage schaffen, um aktuelle und neue Produkte nach Nachhaltigkeitsaspekten bewerten zu können.
3. Sustainable Design Thinking und Lean Innovation
In den 00-er Jahren hat ideo.org die Design Thinking Methodik geprägt und dabei drei Themen definiert, die für jede Innovation abgetestet werden sollen: Desirability, Viability & Feasibility. Dabei wird mittels bewusst einfacher Tests Folgendes eruiert:
– Desirability – Lösen wir das richtige Kundenbedürfnis?
– Feasibility – Bauen wir auf unseren operativen Kernkompetenzen auf?
– Viability – Trägt unsere Lösung zu langfristigem Wachstum bei?
Abbildung 4: Nachhaltigkeit als fixer Bestandteil von Design Thinking, adaptiert von ideo.org
Das Modell hilft, Fehlinvestitionen zu verhindern, indem man erst grössere Budgets spricht, wenn es Evidenz für Erfolgschancen der neuen Geschäftsidee gibt. Es kann jedoch nicht verhindert werden, dass neue Produkte und Dienstleistungen entwickelt und auf den Markt gebracht werden, die zwar kurzfristig ein Kundenbedürfnis befriedigen, aber längerfristig weitere Probleme im Bereich der Nachhaltigkeit kreieren. Deswegen sollte Nachhaltigkeit, also die Analyse von möglichen sozialen und ökologischen Risiken und Chancen, zu Beginn des Entwicklungsprozesses mitgedacht werden.
→ Nachhaltigkeit neben Kundenbedürfnissen, technischer Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit früh im Entwicklungsprozess abtesten.
4. Orientierung an geeigneten Erfolgsbeispielen
→ Quellen zur Inspiration konsequent aufgrund ihrer Nachhaltigkeitsperformance auswählen.
5. Definition von Auswahl- und Bewertungskriterien
Wenn mehrere Optionen bei der Umsetzung eines Innovationsvorhabens zur Auswahl stehen oder die Entscheidung ansteht, wo investiert werden soll, müssen Nachhaltigkeitsziele neben anderen Faktoren einbezogen werden.
→ Klare Nachhaltigkeitskriterien für Investitionsentscheide definieren.
6. Einbezug von Eco-Designprinzipien bei der Entwicklung neuer Produkte und Geschäftsmodelle
Kommt das entsprechende Produkt oder neue Geschäftsmodell in die Umsetzung, muss sichergestellt werden, dass auch das Design- oder Ingenieur:innenteam über die Anforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit der neuen Lösung informiert ist. Das bedingt einerseits einen durchgängigen Kommunikationsprozess und andererseits die Orientierung an Eco-Designprinzipien oder Designprinzipien für die Kreislaufwirtschaft. Eine wichtige Rolle spielen hier die Produktspezifikationen und das Verständnis, dass eine nachhaltigere Lösung längerfristig auch den Kundennutzen steigert. Oft müssen dabei auch neue Geschäftsmodelle angedacht werden. Beispielsweise kann ein Nutzungs- statt eines Verkaufsmodells dazu beitragen, dass die richtigen Anreize für eine nachhaltige Produktentwicklung gesetzt werden.
→ Bei der Umsetzung auf Eco-Design und kreislauffähige Geschäftsmodelle setzen.
Werden Sie noch heute aktiv!
Wenn Sie sich in Ihrem Unternehmen mit Innovationsprojekten oder Geschäftsentwicklung befassen, lohnt es sich, den Aspekt der Nachhaltigkeit in allen Phasen mitzudenken! Für eine Auslegeordnung Ihrer grössten Hebel für eine nachhaltige Transformation Ihres Unternehmens, Unterstützung bei der Erarbeitung von entsprechenden Zielen oder Massnahmenplänen schauen Sie auf www.swisstripleimpact.ch vorbei. Wenn Sie eine Idee für ein nachhaltiges Innovationsprojekt haben, könnte das Coaching-Angebot KMU & Innovation für Sie passen.
Autorin: Chantal Calame, B-LAB Schweiz